Rhein-Zeitung 19.12.2016
Theater: Wie Mr. Moose das Leben einer Familie aufmischt, ist komisch – Düngenheimer brillieren
Düngenheim. Seit Generationen wird in der Weihnachtszeit immer wieder aufs Neue gerätselt: Wer oder was ist das „Ros“, das im traditionellen Weihnachtslied aus einer zarten Wurzel entspringt? Ist es die Rose, die Maria an anderer Stelle unter dem Herzen trägt? Oder handelt es sich um ein entlaufenes Ross? Mit ihrer turbulenten Weihnachtskomödie „Es ist ein Elch entsprungen“ nach dem Roman von Andreas Steinhöfel brachte die Theatergruppe Spielzeit Düngenheim eine neue, gleichlautende Theorie in die Diskussion ein: Zumindest auf der Eifeler Theaterbühne ist das Ros der sprechende Elch Mr. Moose, der eigentlich vom Weihnachtsmann als Schlitten-Testfahrer vorgesehen ist, dann aber durch urkomische Umstände vom Himmel fällt und in das Leben der Familie Wagner platzt. Dort findet er nicht nur echte Zuwendung, sondern auch Schutz vor der großwildjagenden Frau Paneke. Klar, dass man sich sofort an den Serienhelden Alf aus den achtziger Jahren erinnert fühlt, der als Außerirdischer die Familie Tanner auf den Kopf stellte. Mr. Moose aber ist kein Alien, sondern eben ein entgleister Weihnachtselch, der am liebsten eingelegte Birnen isst und dessen Chef Santa Claus zwischenzeitig in die Psychiatrie eingeliefert wird. Dass das schräge Spektakel nicht zur Klamotte verkommt, liegt an der Warmherzigkeit und großen Gefühlsstärke, mit der die Darsteller die Herzensangelegenheiten der Geschichte ausspielen. Im Kern geht es nämlich um die Sehnsucht nach familiärer Geborgenheit und Nähe. Mit Gerhard Kaiser, der auch im echten Leben eine Leidenschaft für Paarhufer hat, ist die Rolle des Elches Mr. Moose perfekt besetzt. Innig lässt er sich auf Bertil ein, dessen Kummer um die Trennung seiner Eltern dramaturgisch ansprechend erlebbar wird durch die Doppelbesetzung von Theresa Marx in der Erzählrolle und Lena Lohn als Darstellerin. Hannah Metzroth als Schwester Kiki brilliert mit intellektueller Schärfe, während ihr Vater – gespielt von Fabian Heidger, als glamouröser Dandy daherkommt. Gestärkt durch das ein oder andere Likörchen wagt sich Lea Darscheid als Großmutter Wagner zünftig und unerschrocken an den leibhaftigen Santa Claus alias Karl-Heinz Heckl heran, immer unter dem kritischen Blick der besorgten Mutter Wagner, die beherzt dargestellt wird von Melissa Lenz. Viel Temperament und Furore liefert Karin Schüller als Witwe Paneke, deren gewaltige Flinte letztendlich dem Happy End des Bühnenstücks nichts anhaben kann, denn am Ende wird alles gut: der Elch wird in den Status eines echten Weihnachts-Rentiers befördert und die Wagners finden unterm Tannenbaum endlich wieder als heile Familie zusammen.
Mit etwas Fantasie lässt sich ein Bogen schlagen zum Urtext des Weihnachtsliedes „es ist ein Ros entsprungen“, dem der Titel des Theaterstückes ja in abgewandelter Form entliehen ist: Familie Wagner hat durch den entsprungenen Elch viele weihnachtliche Wunder erfahren, die allesamt hindeuten auf den vom Propheten Jesaja angekündigten Reis (Ros) aus der Wurzel Isatis, nämlich den Heiland Jesus Christus. Nicht zuletzt ist es der Kleine Theater-Begleitchor, der mit altvertrauten Weihnachtsliedern die Komödie immer wieder klangvoll zurückführt auf das eigentliche Weihnachtsgeschehen.
Bemerkenswert ist der „Mehrgenerationen“-Antritt der Düngenheimer Theatergruppe. Dem Regisseur Ewald Franz und seiner Assistentin Evi Emmerich gelingt es, Jugendliche und Erwachsene im Alter von 12 bis 54 Jahren zu einem stimmigen Ensemble zusammenzuführen. Der ganz besondere Erfolg aber zeigt sich darin, dass während der Premiere das gesamte Publikum in seiner bunten Zusammensetzung von sehr jung bis recht alt zwei Stunden lang erheitert und konzentriert zugleich das Stück aufmerksam und ohne jede Unruhe verfolgt. Der kraftvolle Applaus bestätigte: Spielzeit Düngenheim hat seinen Platz in der Theaterlandschaft der Region hervorragend behauptet.